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Dienstag, 29. Dezember 2009

Aufs Klo - mit 40 Belgiern und einem schnarchenden Hund...

Was ist das mit Abstand schlimmst, das einem passieren kann, wenn man aufs Klo muss?
Und mit "aufs Klo müssen"meine ich nicht, dass man einfach nur mal so aufs Klo muss, nein, nein - ich meine just dieses "aufs Klo müssen", das eintritt, wenn man 4 Stunden in einem Zug sass (dieses fehlende Scharf-s auf dieser Tatstatur macht mich noch verrückt...egal, fahren wir fort.) und es dort keine Toilette gab. Dieses "aufs Klo müssen", wenn man zwischendurch dann natürlich noch auf diversen gottverlassenen Kleinstbahnhöfen, die natürlich keine Klos haben, auf andere Züge ohne Klo gewartet hat. Und sollte es doch irgendwelche Toiletten geben, findet man sie nicht oder sie sind schon längst von frustrierten Jugendlichen demoliert worden.

Aber zurück zur anfänglichen Frage: Was ist also, das mit Abstand schlimmste, das passieren kann, wenn man aufs Klo muss?

Die Antwort ist schlicht: Eine Konfrontation mit Mireille. Nun kann man sich schon fragen, "Wer zur Hölle, ist Mireille? Und warum steht ausgerechnet sie im Zusammenhang mit dem grössten anzunehmenden Unglück in punkto Toiletten-Gang?"

Diese Fragen sind natürlich berechtigt, aber langsam, der Reihe nach, die Geschichte will schliesslich erzählt werden.

Ich war auf dem Weg nach Frankreich, mit dem Zug, ohne Klo, vermutlich auf der einzigen Zuglinie in ganz Frankreich, auf der man aus Prinzip nirgends Klos hat - das dürfte vermutlich schon klar geworden sein.
Letztendlich kam ich auch in Frankreich an, auf einem uralten Bauernhof, irgendwo im Nirgendwo, da wo sich Fuchs und Hase vermutlich vor 500 Jahren mal Guten Nacht gesagt und dann vergessen haben, dass es diesen Ort überhaupt gibt.
Das einzig Positive, sehen wir von der die selbstverständlich und obligatorisch wunderbaren Landschaft, Ruhe und des Nichtvorhandenseins menschlicher Zivilisation einmal ab, war, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Klo geben würde. Und selbst wenn nicht, bei der Menge Ruhe, Landschaft und Wald um das Haus herum, hätte es mit Sicherheit kein Problem dargestellt unbemerkt draussen ein kleines Geschäft zu verrichten.

Ich stürmte also voll Vorfreude ins Haus - endlich, die ersehnte Erleichterung schien zum Greifen nah. Doch mit nichten: zwischen mich und mein erklärtes Ziel schob sich ein weiteres beträchtliches Hindernis: ungefähr 40 französischsprachige Belgier, die ich nicht kannte, und die ich darum kennenlernen sollte - am besten gleich alle in den ersten 10 Minuten meiner Ankunft und noch vollbepackt - und die einzigen beiden Menschen, die ich kannte und die mehr als nur französisch sprachen waren plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Wie es eben so geht, wenn plötzliche Raum-Zeitfluktuationen auftreten, gerade standen sie noch hinter mir - vor mir eine undurchdringliche Wand aus Belgiern - und "puff", weg waren sie.

Wie sich später, sehr zu meinem Ungemach herausstellen sollte, musste einer davon dringend einem Hund beim Schlafen auf der Couch zu schauen - das ist natürlich unheimlich lustig und, das muss ich wirklich zugeben, sehr viel interessanter als einer Freundin, die nicht schon seit einer halben Stunde im Auto auf dem Weg vom Bahnhof zum Haus rumgenölt hatte, dass sie ganz, aber wirklich ganz dringend mal muss, in einer ihr verständlichen Sprache zu erklären, wo die Toilette ist.
Der Hund lag auf dem Rücken und schnarchte - und das ist nun wirklich sehr, sehr lustig.

Nun rückte aber die undurchdringliche Wand von Belgiern langsam vor und ich hatte ja keinerlei backup mehr. Zusätzlich überkam mich das ungute Gefühl, dass sich meine Augen langsam gelb verfärbten. Die Belgier schien das nicht weiter zu stören und nachdem ich dann von allen Seiten mal eben angeschlabbert - waschen konnte heute getrost entfallen - und mit einer Flut Namen und Erklärungen zu den verschiedenen verwandtschaflichen Beziehungen überschüttet worden war, brachte ich endlich den Mut auf in meinem besten, wenn auch stockenden, Schulfranzösisch nach der Toilette zu fragen.

Die Reaktion war erstaunlich: Ah ja, das könne man verstehen, warum ich denn nicht schon früher was gesagt hätte - naja, vielleicht weil ich einfach zu beschäftigt war mit angeschlabbert werden, Namen und Verwandtschaftsgrade zu wiederholen, meinen eigenen Namen zu sagen und dabei irgendwie zu versuchen den Mund geschlossen zu halten, denn wer weiss, vielleicht hätte ich bei all dem Geschlabbere noch einen Zungenkuss erwischt, und auch meine interkulturelle Toleranz hat Grenzen - aber sowas sagt man wohl der Höflichkeit halber eher nicht. Stattdessen grinst man, sagt, dass es nicht so schlimm sei und freut sich innerlich auf das Klo.

Eine nette, ältere Dame zeigte sich schliesslich verständnisvoll dazu bereit mich sogar höchstpersönlich zum Klo zu bringen. Ich wähnte mich endlich am Ziel, aber ich hatte nicht mit Mireille, der netten, älteren Dame - wenn sie das jetzt hören könnte, würde sie mir die Ohren lang ziehen, aber, tut mir ja sehr leid, Sexbombe passt einfach nicht so ganz - gerechnet, besser gesagt, nicht mit ihrer Arthritis.
Mireille ist mit Abstands der langsamste Mensch auf diesem Planeten. Sie wird desöfteren schon mal mit einem Faultier verwechselt und regelmässig im Zoo von Luxembourg eingesperrt. Nein, diese Behauptung ist natürlich ein bisschen übertrieben und dient an dieser Stelle auch nur dazu das Ausmass dieser Misere zu verdeutlichen, aber für generell möglich halte ich das schon.

Ich musste mit Mireille ins obere Stockwerk, denn sinnigerweise für ein Haus mit ungeähr 10 Toiletten wurde nur die eine im oberen Stockwerk benutzt, und zwar von 40 Belgiern und auch nur zeitweise, weil eine Benutzung während des Mittagschlafs der Kinder natürlich ausgeschlossen war. Nun benutzt man, um in den ersten Stock zu kommen für gewöhnlich dann Treppen. Das wiederum stellte ein erhebliches Hindernis für Mireille dar - ich erwähnte die Arthritis? Nicht? Mireille hatte sie jedenfalls auch nicht erwähnt. Mir war dahingehend allerdings schon ein leiser Verdacht gekommen, als ich frisch beherzt und froh endlich zum ersehnten Örtchen zu kommen losmarschiert war und bemerkt hatte, dass da was wie ein Klotz Beton an meinem Arm hing. Und jetzt auch noch Treppen, da wurde es mir klar!

Letztendlich haben wir aber gemeinsam und mit viel harter Arbeit auch die Treppen überwunden. Als Mireille mir dann noch, glücklicherweise, ich wäre ja sonst völlig verloren gewesen, erklärt hatte wo das Licht ist - es brannte bereits, aber gut zu wissen - und dass man nach Beendigung des Geschäfts auf das Knöpfchen drückt - nicht zu verwechseln mit dem Lichtschalter, aufgepasst mit sowas - war es dann endlich soweit.

Gut, dass nicht gerade Schlafenszeit für die Kinder war....