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Dienstag, 4. Januar 2011

Spaß mit dem SNCF

Ich hatte echt mal wieder unheimliches Glück, so beim Zugfahren, meine ich:
Nicht, dass nicht so ziemlich alle Züge Verspätung hatten, was immer auch heißt, dass man Ewigkeiten auf eiskalten Bahnhöfen im Nirgendwo rumsteht und auf ebenfalls verspätete Anschlusszüge wartet.
Da drängt sich mir doch zwischendurch der Gedanke auf, dass das ja eigentlich total egal ist: wenn alle Züge verspätet sind, ist es gehopst wie gedopst, ob man jetzt an einem eiskalten Bahnhof auf einen verspäteten oder nicht verspäteten Zug wartet -  das Warten ist das ausschlaggebende Ärgernis oder doch die Kälte? Ich werde eingehend darüber nachdenken. Es ist jedenfalls ärgerlich.
Nein, nicht nur das, wie immer bin ich in dem Wagon, oder Voiture - ich fahre schließlich SNCF - mit dem großen Schild, gelandet, auf dem steht "Alle Idioten, Vollhirnis, Kleinkinder und hysterische Eltern sowie alle, die sowieso irgendwie total seltsam sind, bitte unbedingt HIER einsteigen."
Noch so ein Gedanke: Vielleicht machen die Franzosen das auch mit Absicht, weil sie bemerkt haben, dass ich Deutsche bin und das ist die verspätete Rache für die Altantik-Offensive?
Egal, jedenfalls blinkt die Aufschrift und spielt Musik, damit auch wirklich jeder Depp (inklusive mir, wobei ich mich jetzt doch auch wieder fragen muss, ob ich ein Depp bin, was mich zur ursprünglichen Frage mit der Atlantik-Offensive zurückbringt...) einsteigt.
Gut, beschäftigen wir uns mit dem Etwas, das neben mir sitzt, immerhin werden wir jetzt fast 5 Stunden unterwegs sein und ich hoffe, bereits nach 5 Minuten, dass es bitte in Mulhouse schon wieder aussteigen möge. Selbstverständlich tut es das nicht, wie könnte es auch? Es muss bis Lyon Part Dieu fahren, das ist sonnenklar.
Also, es - ich konnte das Geschlecht nicht eindeutig auf den ersten Blick bestimmen und ich wollte einfach nicht genauer hinschauen - trägt einen goldenen Polyester-Pullover - es scheint ein offensichtlicher Widerspruch zu sein, dass ich zwar das Geschlecht nicht gleich erkennen konnte, aber weiß, dass es ein Polyester-Pulli ist. Das ganze lässt sich aber ganz leicht erklären: es stink nach billigem Deo und Schweiß.
Lecker das, ja, ich hoffe, es bewegt sich nicht soviel, sonst muss ich vermutlich kotzen oder ersticken oder beides.
Es scheint außerdem hochgradig taub zu sein, und wenn es das nicht ist, dann wird dem bald so sein, bedenkt man die Lautstärke, mit dem es sich Tschicki-Tschicki-Videos auf Youtube anschaut.
David Vendetta? Wer zur Hölle ist David Vendetta? Als gesichert kann vermutlich gelten, dass es nur ein Lied von dem Typen gibt...
Es verfügt zusätzlich über eine nervöse Störung, die sich darin äußerst, dass es ständig asthmamäßig rumrotzt und sich umdrehen muss, letzteres, so tippe ich mal,  kann wahlweise durch die Musik verursacht worden sein oder durch die Tatsache, dass es entweder gar kein Ticket besitzt oder aber keine Reservierung. Mein Französisch ist an sich schon miserabel, aber wenn dann jemand mit einem, vermutlich, senegalesischen Akzent auf mich einquatscht, dann wird´s echt grenzwertig.
Fassen wir also  kurz zusammen:
Ich sitze vermutlich die nächsten 4 Stunden neben einer schlecht riechenden, schwarzen Transe mit noch schlechterem Musikgeschmack und einer nervösen Störung.
Was mich letztendlich nun zu folgender Frage bringt: warum verhält sich mein Leben eigentlich wie eine gottverdammte Sitcom? Und warum lacht keiner?
Stattdessen bekomme ich? Kindergebrüll! Naja...
Ich denke ja, auch wenn Eltern wirklich ihr bestes geben, es gibt einfach nicht genug Spielzeug, angeschlabberte Vollkornkekse (ohne Zucker), die man auf sich und den Umsitzenden verteilen kann und Feuchttücher auf dieser Welt um zu verhindern, dass der Nachwuchs spätestens eine halbe Stunde nach Reiseantritt hysterisch brüllt vor Langeweile oder aus purer Boshaftigkeit...