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Freitag, 19. Februar 2021

Die Philosophie des Wurstessens

Ich hatte wirklich damit gerechnet, dass man mich für meine Meinungsäußerung schlachtet, denn, hu, und ich kann es gar nicht nachvollziehen, selten kochen die Emotionen so hoch wie beim Essen, außer vielleicht bei Corona, aber man muss ja nicht immer übers Gleiche sprechen. Achtung, die Klischeekiste öffnet sich: Entweder kommt der militante Veganer um die Ecke und erzählt was von Bruderküken und Wasserverbrauch bei der Fleischerzeugung oder, oft gehört, leider vor allem von Eltern, die ihre Kinder vegan ernähren, dass er seit er vegan lebt, gar nie nicht mehr irgendwie krank war. Ok, das ist ja hocherfreulich für denjenigen, offenbar macht er alles richtig. Herzlichen Glückwunsch. Ich könnte jetzt ansetzen zu erklären, dass das, was man an Krankheiten so als Symptome feststellen kann ausgelöst wird durch das körpereigene Immunsystem – das sind die Versuche des Körpers, das was nicht hineingehört loszuwerden. Wenn man keine Krankheitszeichen hat, ist das zwar schön, aber, es kann auch bedeuten, dass das Immunsystem zu schwach zur Reaktion ist. Hm, jetzt vielleicht doch nicht alles richtig gemacht? Wer will das schon be- oder gar verurteilen? Oder es kommt der militante Fleischfresser (und warum ich diesen Begriff weiterhin benutze führe ich später noch aus) und erzählt, dass man Vitamin B12-Mangel verstürbe, dass wichtige Proteine und Mineralstoffe im Fleisch seien, ohne die es nun mal gar nicht ginge, er immer viel schneller wieder hungrig werde, wenn er kein Fleisch esse, deshalb esse er mehr und werde dick und manch einer zitiert sogar die Bibel mit „Macht Euch die Erde untertan.“ (Genesis 1,28) Ich könnte jetzt ansetzen zu erklären, dass es ganze Kulturen gibt, in denen man sich ausschließlich vegan ernährt, und, ein Wunder, die sind Jahrhunderte ohne ein Stückchen tierisches Protein ausgekommen – funktioniert wohl schon, wenn man weiß wie, und die haben echt lang geübt. In der Bibel steht auch „Du sollst nicht töten“, und da wird jetzt nicht explizit erklärt, ob damit nur Menschen gemeint sind. Sich die Erde und all ihre Geschöpfe unterwerfen ist nicht gleichbedeutend mit „beute alle Ressourcen bis aufs Letze aus“ oder „schlechte Haltungsbedingungen für Mitgeschöpfe sind fürs Sonntagschnitzel schon ok.“ Mitgeschöpfe, das Stichwort für den Gebrauch des Begriffs „Fleischfresser“ – das ganze einfach zu latinisieren in Carnivoren (Fleischfressen), Omnivoren (Allesfresser) oder Herbivoren (Pflanzenfresser) klingt zwar möglicherweise gebildeter, ändert aber nichts am Inhalt des jeweiligen Begriffs. Ich nehme an, man stört sich am „Fressen“, das machen Menschen nämlich nicht, das machen Tiere, und das sind wir Menschen ja nun nicht. Sind wir nicht? Moment, schauen wir uns das an und nehme wir als Beispiel den Hund. Der Hund verfügt grundsätzlich über alle Organe, über die auch ein Mensch verfügt (außer dem Blinddarm, aber wir könnten als Beispiel auch das Schaf nehmen, die haben einen): Herz, Gehirn, Blut, Nieren, Leber, Lunge, Magen, Darm… Hunde haben auch, wie wir, Zähne, Knochen, Haare, Fingernägel (Krallen) in und am Körper und zu allem Überfluss besteht das ganze Zeugs im Wesentlichen chemisch betrachtet auch noch aus dem gleichen Material wie bei uns und, wenn, ich dem Hund auf die Pfote latsche, dann zeigt er mir deutlich, dass ihm das weh getan hat, er fühlt also auch. Was genau, macht mich als Menschen jetzt besser, sodass ich für mich andere Parameter oder gar eine andere taxonomische Einordnung als „Tier“ verlangen darf? Mein Großhirn vielleicht, mit dem ich zwar wirklich viele tolle Sachen denken und entwickeln kann, aber das mich auch befähigt diese Welt erfolgreich in die Tonne zu treten, ohne Rücksicht auf Verluste. Mit dem Denken scheint es also schon ein bisschen zu hapern, ausgereift scheint das Konzept noch nicht zu sein, denn nur Menschen sind dämlich genug sich die Lebensgrundlage aus purer Gier und Eigennutz kaputt zu machen – vielleicht ist das ja das Unterscheidungsmerkmal, das eine neue Kategorie rechtfertigt, nur leider nicht aus positiven Gründen, wie zum Beispiel die Sache mit der „Krönung der Schöpfung“. Das wäre definitiv die beliebtere Rechtfertigung, denke ich mal. Nur berechtigt ist das mit der Krone nicht, wie gesagt, beim Konzept „Mensch“ gibt es Luft nach oben, das hat Entwicklungspotenzial. Na gut, „Besser“ ist es dann vielleicht nicht, aber „anders“. Nein, eben nicht, es ist nur größer und gefalteter und kann daher vielleicht andere Dinge, vielleicht mehr Dinge, vielleicht komplexere Dinge, aber es ist nicht grundsätzlich anders. Das Gehirn ist die Steuerzentrale für hochkomplexe Regelkreise, bei allen Lebewesen, die eins haben. Anders wäre es, wenn es z.B. aus Kartoffelbrei bestünde, das wäre wirklich was komplett anderes. Das Grundprinzip, das auch für Menschen gilt, ist bei allen Säugetieren gleich – und jetzt komm´ mir bitte Keiner mit so abgefahrenen Tieren wie dem Schnabeltier, das Eier legt und säugt, denn selbst bei diesem Tier, ist der Bauplan gleich, es hat Gehirn, Herz, Blut, Lunge... Man könnte es sogar noch weiter treiben. Glaubt irgendeiner, dass das Kohlenstoffatom, das sich im Knochen meines, sagen wir, Unterarms befindet, anders ist, als das in der Rinde, des Baums vor meinem Fenster? (An alle Chemiker, verzeiht meine unwissenschaftliche Herangehensweise, natürlich besteht die Möglichkeit, dass sich Atome unterscheiden, es gibt ja Isotope usw., aber ich versuche hier nur ein Prinzip zu verdeutlichen.) Und, der Witz bei der Sache ist, und eigentlich ist es gar nicht mal so lustig, es ist eine Diskussion, die man sich leisten können muss, die die Hunger leiden müssen, diskutieren nicht, ob es Schnitzel, Seehecht oder Grünkernbratling geben wird (wahlweise mit Ei oder ohne ggf. mit Käse überbacken). In aller Regel gibt es sowas wie Hirsebrei, wenn überhaupt. Ich denke mir nur, lass die Leute doch machen und bleib bei dir. Es geht nur ums Essen, warum das immer eine Weltanschaungsdebatte auslösen muss, ist mir schleierhaft. Nun, vermutlich ist Essen einfach „DAS DING“, denn ohne ist wirklich schlecht und von daher natürlich lebensnotwendig – und wenn es ums (Über-)Leben geht, versteht man einfach auch keinen Spaß. Du willst Fleisch essen? Na, dann mach das doch. Sei so klug und informiere dich, was das für Konsequenzen hat und dann wäge ab, ob es ok für dich ist oder, wie weit du diese Konsequenzen tolerieren willst oder auch nicht. Du willst Gemüse essen? Du willst Käse, Eier, Tofu, Fisch essen? Na, dann mach das doch… Und so weiter.