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Samstag, 6. Oktober 2012

Eine Hochzeit und eine Topfpflanze

- aus einer Mail an einen Freund - 

Eines schönen Freitags, mitten im September: Davids Freund, Micha, und Leni heiraten.

Soweit, sogut - wir kommen da an, und ich hatte erstmal das Vergnügen Davids Ex kennenzulernen, irgendwie unangenehm, frag einfach nicht:
Obwohl ich ihr nicht mal böse sein könnte, weil ich sie ja gar nicht kenne und sie mir schließlich nichts getan hat, sondern stattdessen, ihr eher die Hand schütteln und ihr meine Dankbarkeit ausdrücken müsste, kam ich mir völlig bescheuert vor.
Also, ganz ehrlich, der Effekt, den eine solche Handlung hätte, wäre bestimmt super, zumindest aber erstaunlich.

Du sitzt da erst mal auf der Couch in der Ecke mümmelst brav, mehr oder weniger guten, Kuchen in dich rein und trinkst ne Tasse Kaffee und alle sind total "süßliii" und "liebiii" miteinander und du merkst, dass zwar niemand was dagegen hat, - außer vielleicht die Ex, weil´s für sie auch nicht grade angenehm gewesen sein kann - dass du da bist, es aber auch völlig egal ist, gegen Topfpflanzen hat ja normalerweise auch keiner was. Ich meine, wen bitteschön, wenn´s nicht grade jemand mit einer entsprechenden Allergie ist, würde auch die Anwesenheit einer Yukkapalme verärgern? Aber gut, wer weiß, anderes Thema.

Du versuchst also so zu tun, als würde dich der Blümchen-Sprech interessieren, lächelst bis deine Kiefermuskulatur völlig verkrampft ist und denkst dabei über Fragen nach wie, ob das alles hier eigentlich normal ist und ob du´s eventuell nicht bist, weil es dich einfach nicht zu Tränen rührt, dass die Braut dem Bräutigam bei der Trauung ein Lied gesungen hat. Du fragst dich stattdessen, warum der Bräutigam geweint hat bei der Nummer, denn Leni kann zwar den Ton halten, damit hört es aber auch auf, denn sie klingt ansonsten als hätte sie nen schweren Schnupfen - gut, wir wollen nicht unfair sein, man muss ihr zu gute halten, dass wir die Aufnahme ja nur nachträglich und von ner kleinen Digitalkamera zu hören bekamen, das kann schon wirklich einiges ausmachen. Allerdings durften wir die Aufnahme dafür um so öfter hören, was aber auch nicht wirklich zur Verbesserung beigetragen hat. Ich verstehe es bis heute nicht.
Ein weiteres der, eigentlich nur drei goßen Highlight-Themen, war das offene Auge des Babys in Lenis Bauch, denn Micha und Leni sind höchstschwanger, sowohl physisch als auch psychisch und mental - noch viel schwangerer kann man eigentlich nicht sein - das man auf einem ansonsten recht unscharfen 3D-Ultraschallbild sehen konnte.
Und schon wieder die Frage, ob ich eventuell einfach nur nicht normal reagiere, weil ich einfach nicht in völlig verzückte Hysterie ausbrechen will und es leider nicht mal halb so spektakulär finde wie zum Beispiel den Halleyschen Kometen.
Es hat ein Auge offen, moment ich muss völlig durchdrehen, weil...ja, warum eigentlich gleich noch mal?
Jetzt komm´mir bloß keiner mit dem Argument, dass ich ja selber keine Kinder habe und das nicht beurteilen könne, sicher ist es ganz toll für Eltern, wenn sie ihr Kind auf verwackelten Bilder sehen dürfen, aber, die Betonung liegt auf ELTERN und, sorry, abendfüllend ist es nicht - oder, sagen wir, sollte es, im Hinblick auf die Nervenkostüme anwesender Topfpflanzen, nicht sein.
Ich konnte auch nicht sehen, dass das Kind ganze genau den Mund und die Nase von Lenis Mama - liebe Güte, das arme Ding, solange es nur nicht ihren Hintern kriegt - hat.
Dafür konnte ich erkennen, dass es Mund und Nase hat, was ich wirklich sehr gut fand, aber alle anderen konnten ganz genau Lenis Mamas Mund und Nase sehen, aber sowas von ganz genau, fast so als würde Leni mit ihrer eigenen Mutter schwanger sein, was ich nun wiederum wirklich spektakulär gefunden hätte.
Das dritte, große Thema war der Trauring. Ich muss vorab dazu sagen, dass ich einfach nicht auf Goldschmuck stehe und von daher das Geschmeide wohl grundsätzlich nicht richtig würdigen konnte.
Es war mit Sicherheit ein sehr schöner Ring - ein Grasring, um genau zu sein, so hat man mir zumindest erzählt. Ich gehe mal davon aus, dass es ein Grasring ist, weil die einzelnen Goldfäden Grashalmen nachgebildet sind, nicht weil der Goldschmied bei der Herstllung völlig bekifft war.
Sehen konnte ich es nicht so richtig, denn das gute Stück wurde einem unter die Nase gehalten, die Finger ein bisschen bewegt, "Schau, ein Grasring!", dann wurde die Hand zurückgezogen, erst der Ring seelig betrachtet und du dann erwartungsvoll angeschaut und gefragt "Totaaaal schön, gell?"
Was macht man in so einer Situation? Ich habe mich für ein, ich hoffe, freundliches Lächeln und ein aufmunterndes "Ja, total." entschieden.
Man kann, wenn sich jemand so freut, ja nicht sagen, dass man den Ring ätzend findet, weil er aus Gold ist und beim besten Willen nicht erkennen kann, wo das Gras bei der ganzen Geschichte eigentlich sein soll.
Alles in allem ein Riesenspektakel also.
Wenn das Geheirate und Kindergekriege um mich rum nicht bald aufhört, werde ich wahnsinnig.

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